Künstliche Intelligenz ist schon länger kein Thema mehr, das man nur aus Science-Fiction-Filmen kennt. Viel mehr hat sie bereits Einzug in unseren Alltag gefunden, für den privaten Gebrauch sind die populärsten Beispiele wohl „Google Übersetzer“, „Siri“ oder „Amazon Echo“.
Aber auch im Geschäftsumfeld nehmen wir vermehrtes Interesse an dem Einsatz von KI in Business-Anwendungen wahr. Im Zusammenhang mit SAP-Lösungen kommt KI bereits zum Einsatz, als Beispiel seien hier bildlesende Verfahren (OCR) genannt, die unter anderem bei der automatisierten Rechnungseingangsprüfung und der kreditorischen Verbuchung unterstützen. Aber auch die Abbildung von Workflows, um einfache Arbeitsschritte zu automatisieren, bspw. mit der „SAP Build Process Automation“, die eine Kombination aus SAP Workflow Management und SAP Intelligent Robotic Process Automation (RPA) darstellt.
Als adesso orange haben wir im Zusammenspiel von SAP-Produkten mit künstlicher Intelligenz bereits in unterschiedlichsten Szenarien Erfahrungen gesammelt. Als Beispiel kann das automatische Abschließen von Bestellungen im Themenfeld „Intelligent Routing“ genannt werden, hierzu wurde eine Fiori-App entwickelt. Die zuvor notwendige manuelle Prüfung der Bestellungen auf Richtigkeit und Vollständigkeit wurde durch maschinelles Lernen ersetzt. Dies ermöglicht schnellere Bestellzyklen, bessere Kontrollen der Compliance Rate und eine Optimierung des Schnellabschlusses von Bestellungen. Manuelle Prüfungen müssen so nur noch in seltenen Einzelfällen erfolgen.
In den letzten Wochen dominierte „ChatGPT“ das Thema künstliche Intelligenz. ChatGPT aus dem Hause OpenAI gehört innerhalb der Künstlichen Intelligenz in die Kategorie Chatbot. Aktuell kann der ChatGPT – nach Registrierung – kostenlos genutzt werden. Die Funktionsweise ist grundsätzlich schnell erklärt: Frage eingeben, Enter drücken und man erhält eine Antwort. ChatGPT fühlt sich wie intelligenteres Googeln an und kann komplexere Aufgaben lösen, z.B. Programmier-Code überprüfen.
Wir haben uns daher gefragt: Wird ChatGPT möglicherweise die SAP-Beratung überflüssig machen? Dazu haben wir den Chatbot mit Fragestellungen zu der öffentlichen Verwaltung gefüttert und interessante Antworten erhalten.
2. Welche SAP-Module kennt ChatGPT für die öffentliche Verwaltung?
3. Welche SAP Lösungen für die Digitalisierung von Fördermitteln kennt ChatGPT?
1. Was sagt ChatGPT zu aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung der deutschen öffentlichen Verwaltung?
Die Antworten von ChatGPT sind kurz und prägnant und decken sicherlich einige Punkte ab, in denen sich auch unsere Kunden wiederfinden.
Ergänzend und etwas ausführlicher sehen wir folgende Herausforderungen als besonders relevant. Anmerkung: auch unsere Auflistung kann nicht für alle Kundensituationen vollständig sein.
Stakeholder Bürger:innen und Organisationen:
Zum einen erwarten insbesondere Bürger:innen zunehmend eine Digitalisierung der Behördenprozesse, sodass analoge Behördengänge digital abgebildet werden können oder Daten, die einmal erhoben wurden, mit Zustimmung auch an anderer Stelle verwendet werden können. Teilweise ist dies dank Lösungen wie BundID oder dem Only-Once-Prinzip bereits der Fall.
Zum anderen muss die öffentliche Verwaltung aber auch gleichzeitig sicherstellen, dass Bürger:innen und Organisationen, die keine Optionen haben, ihre Behördengänge online abzuwickeln, weiterhin die Möglichkeit haben, die Verwaltungsleistungen auf analogen Wegen zu nutzen. Hier sei zum Beispiel an die ältere Bevölkerung gedacht.
Stakeholder Politik und Regierung:
Politisch kann zusätzlicher Druck entstehen; vor allem, wenn wieder das Thema „Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung“ im Fokus der Berichterstattung steht, bspw. im Zusammenhang mit Corona-Mitteln für Unternehmen oder bei Zuschüssen zur Elektro-Mobilität. Die Regierung gibt außerdem den Takt für die Digitalisierung vor, z.B. in Form von Digitalisierungsstrategien, die zu berücksichtigen sind.
Stakeholder Arbeitnehmer:innen:
Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Wie auch in anderen Branchen sind Fachkräfte Mangelware, im öffentlichen Dienst fehlen derzeit rund 360.000 Mitarbeitende. In Puncto Bezahlung sieht sich die öffentliche Verwaltung häufig im Vergleich zur Privatwirtschaft im Nachteil, dafür kann Sie im Hinblick auf die Sicherheit des Jobs punkten. Um jedoch noch attraktiver für Fachkräfte zu werden, würde es auch helfen, modernere IT-Infrastruktur und Softwarelösungen für die Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen. Weiterhin wird in der öffentlichen Verwaltung im Vergleich zur Privatwirtschaft weniger in die Fort- und Weiterbildung investiert, auch hier gibt es noch Entwicklungspotentiale.
Prozesse und Change-Management:
Über Jahrzehnte haben sich innerbehördlich zuweilen sehr umständliche Prozesse etabliert, die partiell unter anderem auch in Dienstanweisungen ihren Niederschlag gefunden haben. Heißt: auch, wenn der Wille da ist Change-Management zu betreiben, sind einschlägige Vorgaben zu prüfen und im Worst-Case anzupassen, was Verzögerungen mit sich bringt. Aber die Digitalisierung von Workflows bietet auch viele Möglichkeiten: Im Zuge der Digitalisierung werden alle Prozesse gemeinsam betrachtet und geprüft. Dadurch entstehen Möglichkeiten der Homogenisierung, Optimierung und Automatisierung. Durch diese Prozessverschlankungen und Nutzung von technologischen Möglichkeiten können nicht nur Kosten eingespart werden, sondern auch dem Problem des Personalmangels entgegengewirkt werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen:
Unterschiedliche Gesetze wie bspw. das eGovernmentGesetz und das Onlinezugangsgesetz nehmen die öffentliche Verwaltung zusätzlich zu Vorgaben, die auch für die Privatwirtschaft gelten (bspw. DSGVO), in die Pflicht.
Datenschutz und IT-Sicherheit:
Im Vergleich zur Privatwirtschaft werden Daten von Bürger:innen und Organisationen verarbeitet, die sehr sensibel sind. Das beginnt bereits bei der Authentifizierung, die bspw. über den Personalausweis mit der eID erfolgt, betrifft aber auch die in Anspruch genommene Verwaltungsleistung (Bafög, Steuererklärung etc.). Innerbehördlichen Daten wie Personaldaten (auch von Spezialeinheiten wie SEK) oder vertrauliche Akten müssen ebenfalls sensibel behandelt und vor Spionage-Angriffen geschützt werden. So sind die Anforderungen an die IT-Infrastruktur und Softwarelösungen vergleichsweise hoch, anbietende Firmen können schon alleine deswegen ausgeschlossen werden, weil die Daten nicht auf Servern in Deutschland verarbeiten oder nicht gewährleistet werden kann, dass die Daten den Standort Deutschland nicht verlassen. Auch geschäftliche Beziehungen in bestimmte Länder können ein Ausschlusskriterium darstellen.
Finanzierung und Kosten:
Der öffentlichen Verwaltung stehen im wahrsten Sinne des Wortes nur gewisse Budgets für Digitalisierungsvorhaben zur Verfügung. Da es sich um Steuergelder handelt, ist genauestens darauf zu achten, dass die finanziellen Mittel sinnvoll eingesetzt werden. Im Rahmen der Digitalisierung ergeben sich Kosteneinsparungspotentiale, die in jedem Fall auszuschöpfen sind. Denn: Je weniger Mittel für die Verwaltung von Leistungen aufgewendet werden müssen, desto mehr Geld steht für die eigentliche Leistung zur Verfügung.
Datensilos:
Da es bis vor wenigen Jahren eher die Ausnahme war, als die Regel darstellte, dass sich die öffentliche Verwaltung in Fragen der Digitalisierung behördenübergreifend austauschte, sind in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Lösungen für ein und dieselbe Problemstellung entstanden. Das Prinzip Nachnutzung von Lösungen hat erst mit dem OZG und dem Einer-für-alle-Prinzip (EfA-Prinzip) richtig an Fahrt aufgenommen. Die Idee: Es findet ein Austausch darüber statt, wer welche Verwaltungsleistung digitalisiert; und sobald die Digitalisierung abgeschlossen ist, wird die Lösung anderen Stellen zur Verfügung gestellt. Das arbeitsteilige Vorgehen spart nicht nur Kosten, sondern führt auch zu einer schnelleren Digitalisierung. Allerdings bleibt das Problem bestehen, dass Altsysteme abgelöst werden müssen und damit einhergehend Migrationen und Transformationen stattfinden müssen. Damit die Daten nicht an mehreren Stellen gepflegt werden müssen und auswertbar sind, sollten diese außerdem an einer zentralen Stelle zusammenlaufen. Dazu müssen Schnittstellen existieren und bestenfalls einheitliche Datenschemata existieren. Auch hier gibt es bereits Ansatzpunkte, die schon in der Praxis verwendet werden, bspw. Einheitliche Datenfelder des Förderalen Informationsmanagements (FIM).
2. Welche SAP-Module kennt ChatGPT für die öffentliche Verwaltung?
Interessant ist, dass ChatGPT keine SAP-Module nennt, sondern unterschiedliche und eigenständig betreibbare SAP-Lösungen.
- Warum sich ChatGPT bei der Wahl des ERP-Systems auf SAP S/4HANA Cloud, Public Edition festlegt ist nicht nachvollziehbar. Immerhin gibt es noch weitere Cloud-Lösungen wie SAP S/4HANA Cloud, Private Edition und aktuelle Bemühungen einer souveränen Cloud speziell für die Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung. Die Möglichkeit einer On-premise-Version bleibt selbstverständlich bestehen, auch unterschiedlichste hybride Möglichkeiten existieren.
- SAP Ariba würden wir nicht ohne das bereits in SAP S/4HANA integrierte Sourcing and Procurement (Beschaffung und Einkauf) nennen, je nach Kunde kann die zusätzliche Verwendung von Ariba Sinn ergeben. Als Beispiel unterstützend im Rahmen von Ausschreibungen und Auftragsvergaben in der öffentlichen Verwaltung (Ariba Sourcing Modul).
- SAP SuccessFactors betrifft das Personalwesen (Human Resources): auch hier würden wir zunächst auf das Human Capital Management (= HCM, bzw. neuerdings Human Experience Management) eingehen und als weitere Option SuccessFactors benennen. Auch hier kommt es stark auf die Kundenwünsche an.
- Anstelle von SAP Concur zum Management von Reisen würden wir andere Themen mit einer höheren Priorität sehen, z.B. das Thema Analytics.
Grundsätzlich ist die gegebene Antwort nicht falsch, allerdings sicherlich keine zufriedenstellende Antwort. Neben der Nennung von Core-Modulen wie FI/CO (neu: Finance) fehlt für eine umfassende Antwort die Nennung der public-spezifische Module wie PSM, PSCD oder SLcM.
3. Welche SAP Lösungen für die Digitalisierung von Fördermitteln kennt ChatGPT?
Das erste Drittel der Antwort von ChatGPT ist akzeptabel, SAP Ariba und SAP SuccessFactors hören wir hingegen zum ersten Mal im Zusammenhang mit Fördermittelmanagement.
SAP bietet in der Komponente Fördermittelmanagement (Grants Management) zwei Teile: zum einen die Fördermittelvergabe (Grants Management for Grantor) und die Fördermittelverwendung (Grants Management for Grantee). Dabei sind Schnittstellen u.a. zum Haushaltsmanagement, FI und CO gegeben. Daher können zumindest die ersten zwei Antworten von ChatGPT stehen gelassen werden.
4. Was ist der Unterschied zwischen SAP PSM klassische Budgetierung und SAP PSM BCS? Sind diese Lösungen zukunftsfähig?
Am Screenshot ist erkennbar, dass ChatGPT nicht verstanden hat, dass mit PSM das Public Sector Management gemeint ist. Die restliche Antwort ist dementsprechend erwartungsgemäß nicht bedeutend besser.
Da die Frage nach der Zukunftsfähigkeit nicht eindeutige beantwortet wurde, haben wir die Frage umformuliert erneut gestellt:
ChatGPT liefert nicht nur keine zufriedenstellende Antwort, sondern auch eine falsche. Das Budget Control System (BCS) bietet als Nachfolger der klassischen Budgetierung (KB) weitergehende Möglichkeiten für individuelle Anpassungen, beispielsweise sei hier die mehrstufige Verfügbarkeitskontrolle (AVK) genannt. Als Antwort hätte uns aber auch genügt, wenn aufgezählt worden wäre, dass BCS nun zusätzlich zu den in der KB enthaltenen Haushaltsmanagement-Kontierungselemente (Finanzstelle, Finanzposition, Fonds und optional Funktionsbereich) auch die Verwendung von Haushaltsprogrammen ermöglicht. Mit SAP S/4HANA muss BCS genutzt werden, daher ist das Ende von KB besiegelt – hier hat ChatGPT also eine falsche Antwort geliefert (siehe OSS Hinweis 2226048).
Allgemein: PSM beinhaltet das Haushaltsmanagement (HHM) und das Fördermittelmanagement (FMM).
HHM: ermöglicht allgemein formuliert das Planen und Budgetieren in kameralen aber auch in doppischen Strukturen bzw. in Kombinationen aus Kameralistik und Doppik. Auch Deckungsfähigkeiten aus dem Haushaltsplan lassen sich im HHM abbilden.
FMM: Soll die Komponente eingesetzt werden, ist zu beachten, dass nur das BCS die hierfür notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Die Fördermittelverwendung bildet dabei den Empfang von Fördermitteln ab, die Fördermittelvergabe die Vergabe an Zuwendungsempfänger.
Fazit
Unsere Testfragen zeigen: ChatGPT gibt auf allgemeine Fragen kurze und prägnante Antworten, die nicht immer umfassend sind. Die Antworten eignen sich daher für einen groben Überblick, sollten jedoch nicht als Entscheidungsgrundlage genutzt werden. Eine spezifische Frage nach SAP-Modulen für die öffentliche Verwaltung zeigt zudem, dass auch hier die Antworten nicht falsch, aber wie zuvor bei allgemeinen Fragen, nicht ausreichend sind. Werden die Fragen noch spezifischer, zeigt ChatGPT neue Schwächen. Die Antworten sind nicht nur oberflächlich, sondern auch teilweise falsch. So nennt ChatGPT zu Fördermitteln auch SAP Ariba und SAP Success Factors als Lösungen. Unsere letzte Frage zeigt weiter, dass ChatGPT Abkürzungen nicht nach dem Kontext unterscheiden kann. In unserem Beispiel konnte ChatGPT zunächst nicht erkennen, dass mit PSM nicht Project System Management, sondern Public Sector Management gemeint war. Da die Frage zur Zukunftsfähigkeit nicht eindeutig beantwortet wurde, haben wir gezielter nachgefragt: Jetzt wird die Frage zur Zukunftsfähigkeit der klassischen Budgetierung und BCS falsch beantwortet.
Zusammenfassend unser bisheriger Eindruck: ChatGPT kann in der Beratung durchaus punktuell unterstützend wirken, den größten Mehrwert hat die KI sicherlich in Themenfeldern, mit denen man selbst noch nicht sehr vertraut ist und kann dabei helfen sich einen Grobüberblick zu verschaffen. Insgesamt ist es unwahrscheinlich, dass KI SAP-Beratungen überflüssig machen wird. Alle Antworten sollten kritisch hinterfragt werden und in keinem Fall unüberprüft übernommen werden. In unserem Versuch gab ChatGPT nämlich auch falsche Antworten aus.
Unsere Schlussfolgerung ChatGPT vs SAP-Consultant: better ask adesso!
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