7. September 2023

Der Einstieg in mein erstes Utilities Projekt

Wie kann ein Entwickler, der nie etwas mit der Versorgungsindustrie zu tun hatte, in seinem ersten Projekt überhaupt produktiv sein? Das war wahrscheinlich die spannendste Frage, die ich mir vor meinem Einstieg in das erste Utilities Projekt gestellt habe. Rückblickend handelte es sich um ein recht simples Projekt im Bereich Marktkommunikation. Bei diesem sollten nur Fehler und Weiterentwicklungen im Ticketgeschäft bearbeitet und der anstehende Formatwechsel in diesem Kontext unterstützt werden. Bis es aber ein „einfaches“ Projekt wurde, hat es einiges an Arbeit erfordert. 

Wie ist mein Einstieg verlaufen? 

Bevor ich in fachliche Themen eingestiegen bin, habe ich die orange class abgeschlossen und dort vor allem technische Fähigkeiten ausbauen können. Mein Hauptfokus bestand darin, das Traineeprogramm als Entwickler in allen Bereichen von SAP zu beenden. 

Mein erster Berührungspunkt mit der Versorgungsindustrie fand bei einer Vor-Ort-Schulung zum Thema Energiewirtschaft statt. In dieser Schulung wurde den Lernenden in zwei Tagen interaktiv die Grundlagen der Energieversorgung nahe gebracht. Die Schulung zeigte einen Überblick über die Produktion von Energie bis zum Endgerät, beispielsweise an der Steckdose. Trotz der beschränkten Zeit, habe ich in den zwei Tagen ein sehr gutes Grundverständnis der Energiewirtschaft aufbauen können. Hinzu kam, dass sich einige andere Teilnehmer schon besser mit der Thematik auskannten und man sich so beim gemeinsamen Abendessen weiter austauschen konnte.  

Bevor das Projekt dann einige Zeit später begann, wurde mir mein Mentor und Projektpartner vorgestellt. Neben Dokumenten zum Einlesen konnte ich mich auf die stetige Verfügbarkeit und Hilfe bei Fragen verlassen. Die vielen theoretischen Konzepte, die während der Energiewirtschaftsschulung erlernt wurden, wurden mir direkt in SAP gezeigt.  

Wie ist das Projekt verlaufen? 

Das Erste, was in dem Projekt passierte, war eine Einführung in das Kundensystem durch meinen Mentor. Hier wurden mir die Prozesse und der grobe Ablauf erklärt. Natürlich ist das leichter gesagt als getan und ich habe mir eingestehen müssen, dass es ein langer Weg ist, bis ich alle Zusammenhänge verstehe. In der Projektplanung wurde aber genau dies berücksichtigt und auch deshalb wurde mir mein Mentor als begleitender Fachexperte zur Seite gestellt.

Die Vorgehensweise bestand also darin, dass mir erklärt wurde, was überhaupt in dem Ticket gefordert ist und wir zusammen auf Fehlersuche gingen. Wichtig war hier auch, dass wir im Code-Umfeld gemeinsam geschaut haben, welche Felder richtig bzw. falsch gefüllt sind und welche Funktionen aufgerufen werden sollten. Auch ohne selbst Code schreiben zu können, hat mein Mentor mir oftmals die passende bzw. fehlerhafte Stelle gezeigt. Dies ermöglichte uns recht zügig einige Tickets fertigzustellen. Umso besser wir uns als Team in die offenen Themen eingearbeitet haben, desto schneller und besser konnten wir die hierzu passenden Tickets bearbeiten und die Menge der Tickets abbauen. 

Welche Hürden sind aufgetreten? 

Die größte aller Hürden ist die Komplexität der Energiewirtschaft. Selbst nach einiger Zeit lerne ich jeden Tag viel Neues im großen Komplex der Versorgungsindustrie. Mir wurde zudem schnell klar, dass ich mich nicht mit allem auskennen muss. Das wurde mir bestätigt, als mir gesagt wurde, dass es empfehlenswerter ist, sich auf einem Gebiet perfekt auszukennen, selbst wenn man dafür in anderen Bereichen schwächer ist. Hat man eine Frage, die den Kenntnisstand des Mentors überschreitet, muss man sich manchmal ein wenig durchfragen. Hierbei kommt gelegentlich das Problem auf, dass Kolleg:innen, die sich mit dieser Thematik auskennen könnten, oftmals nicht im selben Projekt verankert und somit schlechter erreichbar sind.  

Ein weiterer Punkt, der diese Komplexität unterschreibt, ist der Effekt kleiner Änderungen im System. Bei einer Entwicklung abseits von SAP und Utilities habe ich eine Änderung gemacht und direkt getestet, ohne mir große Sorgen machen zu müssen, welche Folge diese Änderung hat, da ein vollumfänglicher Test viel einfacher ist. Im SAP-Kontext kann eine kleine Änderung eine der vielen möglichen Konstrukte jedoch schon nicht mehr funktionsfähig machen. Da es so unglaublich viele Testkonstellationen gibt, ist es hier auch nicht effizient jede Möglichkeit zu testen, ganz abseits davon, dass es (für mich) nicht einfach ist all diese Konstrukte aufzubauen. Die von mir vorgenommenen Anpassung müssen so viel präziser und abgestimmter mit fachlicher Korrektheit sein.

Was habe ich gelernt? 

Hauptsächlich habe ich die Strukturen und vielen Facetten der Energiewirtschaft kennengelernt. Es würde keine Entwicklung geben, wenn es dort keine fachlichen Anforderungen gäbe. Insbesondere habe ich mein Wissen im Bereich Wechselprozesse im Messwesen (WiM) ausbauen können. Mit diesem Wissen habe ich mir weitere Themenfelder erarbeitet. 

Neben der fachlichen Komponente habe ich darüber hinaus im technischen Umfeld viel über das SAP I-SU lernen können. Hierbei ist der komplexe Aufbau sowohl ein Vorteil als auch Nachteil. Sobald man sich zurechtgefunden hat, kann man einfachere Konstrukte wesentlich schneller verstehen. Um mich aber zurechtzufinden, musste ich erstmal sehr viel Aufwand in das Lernen und Testen dieser Strukturen stecken. Glücklicherweise war das Kundensystem nicht allzu komplex und hat mir zusätzlich noch einen sehr guten Überblick über ein „normales“ System liefern können.  

Da Kunden ihre eigenen Richtlinien für die Entwicklung haben, habe ich auch abseits von meinem eigenen Programmierstil eine andere Perspektive sehen müssen. Bei Nachfragen haben die Kunden aber stets diese Richtlinien darlegen können.  

Zuletzt habe ich gelernt, wie unglaublich wichtig die Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist, sei es mit meinem mein Mentor, anderen Kolleg:innen oder den Kunden. Auch meine Gedanken laut auszusprechen, selbst wenn sie das ein oder andere Mal falsch waren, hat mir geholfen die Thematik besser zu verstehen.  

Abb. 1: Thomas und Tim

Was würde ich Einsteigern und Mentoren empfehlen? 

Nicht nur die Versorgungsindustrie ist komplex, SAP ist ein ebenso komplexes Programm. Ohne eine Einführung würde das beste Fachwissen nichts bringen. Am Anfang reicht es vielleicht aus, sich Transaktionen aufzuschreiben oder ein paar Screenshots zu machen. Eine gute Alternative ist es, Videos aufzunehmen. Damit hat man zukünftig bei wiederkehrenden Problemen eine schnelle Lösung. 

Praktische Beispiele kann man in einem Testsystem oft selbst testen und sehen. Um Analysen zu betreiben oder überhaupt erst zu verstehen was passiert, kann man sich selbst genug Beispiele aufbauen.  

Neben der technischen Komponente ist es außerdem sinnvoll, sich die vielen Begriffe der Versorgungsindustrie anzuschauen, um im besten Fall auch Zusammenhänge zwischen den Marktpartnern zu verstehen. Die Dokumente der EDI@Energy bieten hierbei eine gute Grundlage, sind aber ohne Hilfe schwer zu verstehen. Hierbei half mir eine Erklärung darüber, was die Dokumente grob beinhalten. 

Der wichtigste Punkt von allen: Niemand kann von Anfang an alles wissen. Mit diesem Mindset sollten sowohl der Einsteiger als auch der Mentor einsteigen. Auch wenn ich manchmal Verständnisprobleme hatte, bekam ich nie das Gefühl in einer Drucksituation zu sein. Wichtig ist, dass sich beide Seiten die Zeit nehmen. In meiner Anfangszeit hatte ich nie das Gefühl allein vor einem Problem zu stehen. Im gleichen Zuge sollte man sich nicht scheuen, die richtigen Fragen zu stellen.  

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Ein Beitrag von:

Tim Martin

Tim Martin ist Software Engineer im Bereich Utilities. Er unterstützt seine Kunden insbesondere bei der Formatanpassung innerhalb der Marktkommunikation.
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